- Maximilian Bommel, Lucas Fleege, Giulia Kipp, Julia Nagel
Nachhaltigkeitssiegel – Ein Marktüberblick sowie Vor- und Nachteile
Aktualisiert: 25. Nov. 2021
Nachhaltigkeitssiegel garantieren Verbrauchern fair angebaute und gehandelte Produkte, die entlang der gesamten Produktionskette einen nachhaltigen Beitrag für die Umwelt und unsere Gesellschaft schaffen. Diese basieren auf den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales. Im Folgenden wird ein Marktüberblick der verschiedenen Nachhaltigkeitssiegel dargestellt sowie der Einfluss von Nachhaltigkeitssiegeln und deren Herausforderungen näher erläutert.
Immer mehr Menschen wollen nachhaltiger und umweltbewusster leben. Dies versuchen sie mit den unterschiedlichsten Mitteln – weniger Plastik verbrauchen, vegan essen, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und vielen mehr. Die Gründe für das zunehmende Umweltbewusstsein in unserer Gesellschaft lassen sich auf Problematiken wie den Klimawandel, die Verschmutzung der Umwelt, die Abholzung der Regenwälder und zahlreiche Lebensmittelskandale zurückführen.
1. Dimensionen von Nachhaltigkeit
Der Begriff Nachhaltigkeit ist vielseitig und komplex, sodass es eine Vielzahl an verschiedenen Definitionen gibt, die den KonsumentInnen nicht immer einheitliche Richtlinien bieten. Nachhaltigkeit basiert auf dem Handlungsprinzip, dass KonsumentInnen nicht mehr Ressourcen verbrauchen sollten als erneut nachwachsen können. Dieses Prinzip soll das langfristige Denken anregen und KonsumentInnen damit zu einem Handeln überzeugen, welches Rücksicht auf die nachfolgenden Generationen nimmt.
Hierbei bilden die drei Dimensionen – Ökonomie, Ökologie und Soziales – die Grundbausteine der Nachhaltigkeit.
Ökologische Nachhaltigkeit bedeutet die Umweltbelastung und den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Konkret heißt dies, dass Unternehmen nicht mehr Rohstoffe verbrauchen sollten als natürlich nachwachsen oder über die Produktion von Ersatzstoffen bezogen werden können. Im Idealfall sollten Unternehmen umweltfreundliche Maßnahmen in den Alltag implementieren, indem sie beispielsweise den Einsatz von Chemikalien minimieren, den Müll richtig trennen oder ihren Energieverbrauch reduzieren.
Von ökonomischer Nachhaltigkeit spricht man, wenn ein Geschäftsmodell sowohl in der Gegenwart als auch dauerhaft, ohne Einbußen für eine zukünftige Generation möglich ist.
Die dritte Dimension, die soziale Nachhaltigkeit hingegen fokussiert die zwischenmenschlichen Interaktionen und wie beispielsweise die Lebenslage der MitarbeiterInnen durch erhöhte Standards verbessert werden kann. Potenzielle Maßnahmen sind zum Beispiel angemessene Arbeitszeiten, soziale Sicherheit, gute Krankenversicherungen und Datenschutz.
2. Bedeutung von Nachhaltigkeitssiegeln
Nachhaltigkeitssiegel gewährleisten die Einhaltung verschiedener Standards bei der Produktion von Gütern und beim Anbau von Rohstoffen und Lebensmitteln, welche auf den drei beschriebenen Dimensionen der Nachhaltigkeit beruhen. Diese Standards werden bei den einzelnen Nachhaltigkeitssiegeln anders definiert und die einzelnen Aspekte, wie zum Beispiel Arbeitsbedingungen, Nachhaltigkeit, geografische Lage oder Fairness, unterschiedlich gewichtet. Die Zertifizierung mit einem Siegel im Gegensatz zu einem anderen muss dabei nicht zwangsläufig eine verbesserte Kaufentscheidung herbeirufen, da verschiedene Siegel unterschiedliche Zusatzfaktoren berücksichtigen. Der Mehrwert durch Nachhaltigkeitssiegel liegt demnach hauptsächlich darin, dass Standards in Unternehmen transparent gemacht werden, wodurch KundInnen dies in ihre Kaufentscheidungen einfließen lassen können.
3. Marktüberblick und Beurteilung von Nachhaltigkeitssiegeln
Heutzutage existieren verschiedenste Nachhaltigkeitssiegel, von welchen sich ein Großteil auf ein konkretes Produkt und nicht auf das gesamte Unternehmen bezieht. Das erste Nachhaltigkeitssiegel ‘The Blue Angel‘ wurde 1978 in Deutschland veröffentlicht, um den nachhaltigen Anbau von Ressourcen zu unterstützen. Bis heute haben es 12.000 Produkte geschafft die Kriterien des Siegels zu erfüllen und bereits über 1.500 Firmen sind berechtigt ein Nachhaltigkeitssiegel zu verwenden. Die bekanntesten Siegel sind unter anderem Bioland, als bedeutendster Verband für ökologischen Landbau in Deutschland und das Bio-Siegel, welches Produkte zertifiziert, die aus ökologischer Landwirtschaft stammen und das Ziel verfolgen im Einklang mit der Natur produziert zu werden. Weitere Nachhaltigkeitssiegel sind zum einen das Naturland Fair-Siegel, welches mit über das EU-Bio-Siegel hinaus reichenden Anforderungen für hohe und umfassende ökologische Standards steht, und das Forest Stewardship Council Siegel, welches Forstbetriebe zertifiziert, die gleichermaßen ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung übernehmen. Im Folgenden werden das Nachhaltigkeitssiegel des Deutschen Instituts für Qualitätsstandards und -prüfung e.V. (DIQP) sowie die Siegel “Rainforest Alliance” und “Fairtrade” genauer vorgestellt, um die jeweiligen Unterschiede aufzuzeigen.
a. Deutsches Institut für Qualitätsstandards und -prüfung e.V. – Nachhaltiges Unternehmen
Laut Daten des statistischen Bundesamtes gibt es allein in Deutschland 3,6 Millionen rechtliche Einheiten. Angesichts dieser großen Anzahl könnte man sich als Unternehmen fragen: Wie kann ich aus dieser Vielzahl an Unternehmen herausstechen, weil ich als Unternehmen nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch und sozial nachhaltig agiere? Bei dieser Frage unterstützt das Deutsche Institut für Qualitätsstandards und -prüfung e.V. (DIQP) mit dem Qualitätssiegel ‘Nachhaltiges Unternehmen (DIQP)’.

Als Non-Profit-Organisation wurde DIQP mit dem Ziel hochwertige Qualitätssiegel zu entwickeln von verschiedenen Unternehmen gegründet. Das DIQP selbst engagiert sich auf unterschiedlichen Ebenen, beispielsweise als Mitglied des Unternehmensnetzwerks ‘Erfolgsfaktor Familie’, als Partner der Gründerwoche Deutschland und auch durch die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel als Schirmherrin. Dadurch, dass sich das DIQP durch Mitgliedsbeiträge finanziert und für die Prüfung der Zertifizierungsanträge die unabhängige Zertifizierungsgesellschaft SQC-QualityCert beauftragt, um eine eindeutige Trennung zwischen Unternehmen, der Zertifizierungsgesellschaft und dem DIQP als Siegelgeber sicherzustellen, wird das Prinzip der Unabhängigkeit garantiert.
Das Qualitätssiegel ‘Nachhaltiges Unternehmen (DIQP)’ basiert auf dem UN Global Compact, den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen, und weiteren vom DIQP definierten Indikatoren. Als Grundlage für den Begriff Nachhaltigkeit orientiert sich das DIQP an der Definition der Brundtland-Kommission. Nachhaltig ist danach eine Entwicklung, “die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“.
Mit dem Qualitätssiegel ‘Nachhaltiges Unternehmen (DIQP)’ werden die drei Säulen der Nachhaltigkeit eines Unternehmens offengelegt:
Die ökologische Nachhaltigkeit, wobei der rücksichtsvolle Umgang mit natürlichen Ressourcen in den Vordergrund gerückt wird. Die ökonomische Nachhaltigkeit, wobei es um die Frage nach einem wirtschaftlichen Geschäftsmodell geht. Sowie zuletzt die soziale Nachhaltigkeit, die nicht nur beinhaltet, dass ein Unternehmen so organisiert sein soll, dass soziale Spannungen verringert werden, sondern auch so, dass ein Dienst an der Gesellschaft erbracht wird, welcher einen Unterschied in individuellen Lebensumständen macht.

Mit diesem 3-Säulen-Blick auf das Unternehmen als Gesamtpaket steht das Qualitätssiegel ‘Nachhaltiges Unternehmen (DIQP)’ somit nicht in Konkurrenz zu anderen Siegeln und Standards, wie beispielsweise Bio, Fair Trade, UTZ oder Rainforest Alliance, sondern ist vielmehr eine optimale Ergänzung, wenn es darum geht, das eigene Unternehmen herausstechen zu lassen.
Dass am Thema Nachhaltigkeit kein Unternehmen mehr vorbeikommt, zeigt nicht zuletzt die ‘Fridays for Future’-Bewegung, die längst kein reines Jugendthema mehr ist. Welche Vorteile gibt es jedoch genau für ein ‘Nachhaltiges Unternehmen’?
I. Ökonomisch – Zahlungsbereitschaft:
Unternehmen, die sich nachhaltig engagieren, können laut einer Studie der global agierenden Unternehmensberatung McKinsey & Company höhere Preise für ihre Produkte ansetzen.
II. Ökologisch - Innovation und Effizienz:
Durch den Fokus auf Nachhaltigkeit wird eine Innovationskultur im Unternehmen gefördert, welche die eigene Wettbewerbsfähigkeit verbessert.
III. Sozial – MitarbeiterInnen:
Wer als nachhaltiges Unternehmen faire Löhne zahlt, stabilisiert beispielsweise Belegschaften in Produktionsstätten. Aber auch über faire Löhne hinaus geht es darum, MitarbeiterInnen mehr zu bieten als ein attraktives Gehalt, nämlich Aufgaben, in denen sie sich selbst verwirklichen können und ein Umfeld, welches genau das fördert. Somit lassen sich auch leichter Talente gewinnen.
Der Weg zum nachhaltig zertifizierten Unternehmen gestaltet sich bei DIQP transparent. Neben der Abfrage von Zahlen, Daten und Fakten werden zur Beurteilung auch eine Kunden- und Mitarbeiterbefragung herangezogen, deren Auswertung zur Verfügung gestellt wird. Die Gesamtkosten können durch ein stark differenziertes Dienstleistungskonzept je nach Unternehmensgröße variieren. Die für die Zertifizierung angesetzten Kosten starten ab EUR 2,990.
Neben all den angesprochenen Vorteilen und dem Nachhaltigkeitssiegel selbst gibt es für Unternehmen, die sich als Vorreiter der Nachhaltigkeit positionieren, zusätzlich eine eigene Lizenz, die nicht hoch genug anzurechnen ist: die zum Mitgestalten.
b. Rainforest Alliance
Rainforest Alliance ist eine internationale Non-Profit-Organisation, die versucht die Lieferkette von der Herstellung der Rohstoffe über den Transport zum Zwischenhändler bis hin zum Vertrieb der Ware an den Endkonsumenten zu optimieren. Die vorrangigen Ziele der Rainforest Alliance sind der Schutz des Waldes, die Verbesserung der Lebensstandards für Bauern und Bäuerinnen, die Einhaltung und Sicherung der Menschenrechte innerhalb des Herstellungsprozesses verschiedener Güter sowie der Klimaschutz.

Der Grundbaustein der Rainforest Alliance wurde 1986 durch eine Gruppe freiwilliger KlimaschützerInnen unter der Leitung von Daniel Kratz gelegt. Ihre Intention war es, die Rodung von damals 20 Hektar Regenwald pro Tag und der Auslöschung von ca. zwei Dutzend Spezies pro Tag zu stoppen.
1989 wurde das erste nachhaltige Rodungsprogramm veröffentlicht, das die Biodiversität eines Waldgebietes aufrechterhalten soll. Ein Anreiz für die Unterstützung des Programms soll durch den Erhalt einer Zertifizierung nach erfolgreichem Durchlauf des Prüfungsprozesses geschaffen werden. 1993 unterstützte die Rainforest Alliance den Forest Stewardship Council in der Etablierung des heute auch oft als ‘Goldstandard’ des nachhaltigen Wald-Managements angesehenen Zertifikates.
Im Jahr 2000 wurde ein Meilenstein für die Rainforest Alliance und ihre Zertifizierungsprogramme, welche über die Jahre auf verschiedene Produkttypen expandierten, gesetzt. Etwa 50% aller Bananen auf dem internationalen Markt tragen seit diesem Zeitpunkt das Siegel der Rainforest Alliance. 2001 expandierte das ‘Forestry’ Programm, mit welchem das Unternehmen startete, und zertifiziert nun nicht nur Wälder, sondern auch die dort angebauten Produkte, wie zum Beispiel Sirup, Stifte oder auch Snowboards. Blumen können ab sofort ebenfalls eine Zertifizierung erhalten.
2006 überschritten die von Rainforest Alliance zertifizierten Produkte die Marke von USD 1 Mrd. Handelsvolumen pro Jahr, durch zertifizierte Produkte, wie beispielsweise Kaffee, Schokolade und Bananen. Seit 2008 haben viele Unternehmen, darunter Costa Coffee, Mars, Nestlé, Nespresso, Tetley Tea, American Airlines Kaffee, Caribou Coffee oder Gucci, offen bekannt gegeben, dass sie anteilig Waren für ihre Produkte ausschließlich von Rainforest Alliance zertifizierten Lieferanten beziehen.
Anfang 2017 konnte die erste Trainings App etabliert werden, welche LandwirtInnen in Afrika, Asien und Lateinamerika unterstützen soll, ihre Zertifizierung zu behalten und mehr über nachhaltige Landwirtschaft zu lernen. Kurz darauf - im Juli 2017 - wurde der geplante Zusammenschluss zwischen UTZ, einer niederländischen Organisation zur Zertifizierung nachhaltiger Produktion und der bis dahin bestehenden Rainforest Alliance veröffentlicht. Beide vereinten im Januar 2019 ihre Ressourcen und arbeiteten zusammen an neuen Zertifizierungsprogrammen.
Mitte 2020 wurde das neue Zertifizierungsprogramm vorgestellt. Dieses besteht aus den nachhaltigen Landwirtschaftsstandards und einem neuen Versicherungssystem mit einigen Funktionen, um interne Prozesse nachhaltiger zu gestalten. Bemerkenswert ist insbesondere, dass das Programm einen Erfahrungsschatz aus 45 Jahren Nachhaltigkeitsarbeit in allen Bereichen kombiniert (Rainforest Alliance, 2021a).
Das neu veröffentlichte Programm der Rainforest Alliance besteht aus vier elementaren Bausteinen - den landwirtschaftlichen Anforderungen (Farm Requirements), den Anforderungen an Lieferketten (Supply Chain Requirements), der Versicherung (Assurance) und den unterstützenden Quellen (Supporting Resources).
Die landwirtschaftlichen Anforderungen (Farm Requirements) stellen den Rahmen des gesamten Zertifikats dar. Diese sollen den LandwirtInnen dabei helfen, bessere Produkte herzustellen, sich an den Klimawandel anzupassen, ihre Produktivität zu steigern und Investitionsziele richtig umzusetzen. Zudem sollen diese den positiven ökonomischen, ökologischen und sozialen Einfluss fördern. Des Weiteren soll der Lebensstandard verbessert und den LandwirtInnen gezeigt werden, wie sie ihr Land, auf dem sie leben und arbeiten, am besten schützen (Rainforest Alliance, 2021b).

Der Gedanke der Nachhaltigkeit sollte jedoch nicht nach der Herstellung aufhören, sondern auch innerhalb der Lieferkette (Supply Chain Requirements) fortgeführt werden. Ziel ist, dass sich dadurch mehr Zulieferer verpflichtet fühlen, bestimmte ökologische Standards einzuhalten, um ihre Geschäftsbeziehungen aufrecht zu erhalten. Im Umkehrschluss sollen dadurch die LandwirtInnen ein größeres Interesse haben, sich genauestens mit ihren Logistikpartnern auseinanderzusetzen, um ihre Zertifizierung zu behalten (Rainforest Alliance, 2021c).

Der Versicherungs-Block (Assurance) dient zur Absicherung, dass alle Standards eingehalten werden. Hierzu teilt sich die Prüfung inhaltlich in die ‚2020 Certification and Audit Rules‘ und die ‚2020 Rules for Certification Bodies‘ auf. Ziel dieses neuen Assurance Systems ist eine kontextspezifischere, daten- und risikobasierte Zertifizierung. Somit bleibt die hohe Qualität der Waren, die Integrität des Herstellers sowie die Beständigkeit und Transparenz gewahrt. Die Rainforest Alliance vereinfacht insbesondere auch kleineren LandwirtInnen den Zugang zu einer Zertifizierung. Diese sollen durch die aufwendigen Prüfungshandlungen keineswegs einen Nachteil erleiden oder sogar von diesen ausgeschlossen werden (Rainforest Alliance, 2021d).
Zudem stellt die Organisation zusätzliche Dokumente (Supporting Resources) und digitale Anwendungen zur Verfügung, um den Prozess der Zertifizierung zu erleichtern und Interessenten mit verschiedenen Strategien zum Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu versorgen (Rainforest Alliance, 2021e).
Durch das neu aufgesetzte Zertifizierungsprogramm unterstützt die Rainforest Alliance ökonomische Aspekte, welche sogar bei niedrigen Kosten die Produktqualität, wie auch die Erträge steigern sollen. Zeitgleich werden auch ökologische Aspekte, wie ein sorgsamer Umgang mit Wasser, Boden und natürlichen Ressourcen, sowie soziale Aspekte, welche ein besseres und sichereres Lebens- und Arbeitsumfeld fördern sollen, berücksichtigt und zertifiziert. Die Vorteile einer Zertifizierung lassen sich in drei Kategorien aufteilen (Rainforest Alliance, 2021f):
I. Ökonomisch:
Finanzielle Vorteile sind die Schaffung von mehr Investitionsmöglichkeiten, die sinnvollere Anpassung an den Klimawandel mit verbesserter und höherer Ertragslage und mehr Möglichkeiten, um bessere Preise auszuhandeln.
II. Ökologisch:
Hier werden ein sicherer und reduzierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, der Schutz von Wäldern und Biodiversität sowie klimabewusste Anbaumethoden unterstützt.
III. Soziales:
Gefördert werden existenzsichernde Löhne für ArbeitnehmerInnen, die Gleichstellung der Geschlechter, die Sicherstellung besserer Lebensbedingungen sowie die Bekämpfung von Kinder- und Zwangsarbeit.
c. Fairtrade International
Fairtrade International zielt auf eine Veränderung des herkömmlichen Handelns durch bessere Preise für Kleinbauerfamilien, sowie menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Beschäftigte auf Plantagen in Entwicklungs- und Schwellenländern ab. Dieser Prozess schafft eine Verbindung zwischen Konsumenten, Unternehmen und Produzentenorganisationen. Produkte müssen zum einen aus fairem Handel stammen und zum anderen im Rahmen der Herstellung bestimmte soziale, ökologische und ökonomische Kriterien einhalten, um eine Fairtrade-Zertifizierung zu erhalten. Hierbei wird zwischen verschiedenen Fairtrade-Siegeln unterschieden.

Im Allgemeinen kennzeichnet das Fairtrade-Siegel fair angebaute und gehandelte Produkte, für die ausschließlich Zutaten verwendet wurden, welche ebenfalls die Fairtrade-Kriterien erfüllen und physisch rückverfolgbar sind. Die bekanntesten Beispiele sind Kaffee oder Bananen.
Bei Mischprodukten, wie Keksen oder Schokolade, ist das Fairtrade-Siegel mit einem zusätzlichen Pfeil gekennzeichnet. Dieser weist auf weiterführende Informationen auf der Rückseite des Produkts hin. Hierbei müssen alle Zutaten des Mischproduktes, die auf dem Markt unter Fairtrade-Bedingungen erhältlich sind, verwendet werden. Die gleichen Auflagen gelten auch für Produkte, die mit Mengenausgleich hergestellt worden sind, zum Beispiel Kakao, Zucker oder Fruchtsaft, und für Baumwoll- und Textilprodukte. Das Fairtrade-Produktsiegel für Gold ist durch eine Stempel-Prägung auf dem Schmuckstück erkennbar. In Kosmetikprodukten verarbeitete Fairtrade-Inhaltsstoffe werden zusätzlich mit dem Schriftzug ‘contains Fairtrade ingredient’ gekennzeichnet.
Eine weitere Variante des Siegels ist das Fairtrade-Rohstoffsiegel, das Auflagen für einzelne, fair angebaute und gehandelte Zutaten vorgibt. Es umfasst alle Rohstoffe, für die es Fairtrade-Standards gibt. Ausgeschlossen sind dabei Bananen und Kaffee.
Das Fairtrade-Siegel garantiert den zertifizierten LandwirtInnen und ProduzentInnen den Erhalt eines festgelegten Mindestpreises, der über dem Weltmarktpreis liegen muss und die durchschnittlichen Kosten für eine nachhaltige Produktion decken soll. Im Durchschnitt ist der Ertrag von Kleinbauerorganisationen für Fairtrade Verkäufe 15 bis 65 Prozent höher als im konventionellen Handel. Dieser Weltmarktpreis gilt für alle Produktgruppen außer Pflanzen, Blumen, Zucker sowie manche Tee- und Gewürzsorten.
Neben dem Verkaufspreis wird allen Produzentenorganisationen eine zusätzliche Fairtrade-Prämie ausgezahlt, die in Folge von demokratischen Entscheidungsprozessen in soziale, ökologische oder ökonomische Projekte investiert wird. Dies kann beispielsweise in Form des Baus eines Brunnens oder von Schulen stattfinden.
Um die eigenen Produkte als Fairtrade-Produkte klassifizieren zu lassen, müssen alle Kleinbauerorganisationen, Plantagen und Unternehmen zahlreiche Standards einhalten. Diese Standards sollen eine nachhaltige Entwicklung der Produzentenorganisationen in den Entwicklungs- und Schwellenländern gewährleisten.
Die Kriterien basieren auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – und beziehen sich zudem auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und viele weitere internationale Abkommen.
I. Ökonomisch:
Die ökonomische Dimension stellt Anforderungen an Händler und Hersteller. Darin ist die Zahlung des Fairtrade-Mindestpreis und der Fairtrade-Prämie enthalten. Weitere Kriterien sind unter anderem der Nachweis über Waren- und Geldflüsse, Richtlinien zur Verwendung des Siegels und transparente Handelsbeziehungen.
II. Ökologisch:
Der ökologische Aspekt des Umweltschutzes setzt den Standard für umweltschonenden Anbau, Schutz von natürlichen Ressourcen, Verbot gefährlicher Ressourcen und die Förderung des Bio-Anbaus durch den Bio-Aufschlag.
III. Soziales:
Die soziale Dimension legt den Fokus auf die Stärkung von kleineren LandwirtInnen und ArbeitnehmerInnen durch die Organisation sowie Förderung von demokratischen Gemeinschaften und gewerkschaftlichen Organisationen auf Plantagen. Dies bedeutet geregelte Arbeitsbedingungen sowie das Verbot von Kinderarbeit und Diskriminierung.
Die Überprüfung aller Fairtrade-Standards seitens der Produzenten und Händler wird von der unabhängigen Zertifizierungsgesellschaft FLOCERT, einer Tochtergesellschaft von Fairtrade International, vor Ort durchgeführt. Zudem kontrolliert FLOCERT auch die Auszahlung des festgelegten Mindestpreises und der Fairtrade-Prämie an die Produzentenorganisationen.
Das Fairtrade-Siegel umfasst einen mehrdimensionalen Entwicklungsbeitrag für alle betroffenen Parteien entlang der Produktionskette bis hin zum Verbraucher. Zum einen bietet das Siegel eine verbesserte Einkommenssituation bzw. finanzielle Stabilität für kleine LandwirtInnen und zum anderen schafft es ein Netzwerk, von dem diese profitieren und sich durch den Zugang zu Marktinformationen besser im Wettbewerb aufstellen können. Die strikten Auflagen in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Versammlungs- und Gewerkschaftsfreiheit schaffen signifikante Verbesserungen für Beschäftigte auf Plantagen, in Form von bezahlten Überstunden sowie Ferien, als auch einem verbesserten Gesundheitsschutz durch Schutzkleidung und Trainingsprogramme für den sicheren Umgang mit Chemikalien. Neben den individuellen Vorteilen wird auch vor Ort in den Kommunen durch die Fairtrade-Prämie das Leben aller Menschen verbessert, wodurch auch die allgemeine Entwicklung in den Schwellen- und Entwicklungsländern positiv beeinflusst wird. Insbesondere die ökologischen Anforderungen der Fairtrade-Standards leisten einen großen Beitrag zum Umweltschutz. Eine Umstellung auf Bio wird durch das Angebot von zusätzlichen Schulungen und attraktiven Preisen für biologisch angebaute Produkte weiter ausgeweitet.
Der positive Einfluss des Fairtrade-Siegels wird jedoch durch verschiedene Einflüsse auf makro- sowie mikroökonomischer Ebene begrenzt. Aufgrund von verschärften Wettbewerbs- und Handelsstrukturen sind kleine LandwirtInnen direkt von Schwankungen in den internationalen Rohstoffpreisen betroffen. Ein weiteres zentrales Problem stellen die steigenden Lebenshaltungskosten dar. Insbesondere der Klimawandel verschärft die Problematik von Ernteverlusten durch Klimakatastrophen oder Dürrezeiten. Abgesehen davon können zum aktuellen Zeitpunkt viele Kleinbauerorganisationen, aufgrund von limitierten Marktzugängen, nur einen geringen Anteil ihrer Ernte zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen (Bsp. Kakao: lediglich ein Drittel). Ein weiterer Kritikpunkt ist der gezahlte Mindestlohn, der in vielen Ländern nicht ausreichend ist, um den lokalen Lebensstandard gewährleisten zu können. Außerdem erschweren stark ausgeprägte Marktfluktuationen und fallende Preise den LandwirtInnen die Umsetzung aller Arbeitsschutz-Kriterien, wie der Zahlung von Mindestlöhnen für Saison- und GelegenheitsarbeiterInnen. Zuletzt ist auch die Rückverfolgbarkeit der Produkte nicht transparent. Neben erzeugten Mehrkosten ist die Mehrheit der Produkte, zum Beispiel Kakao oder Zucker, durch aufwendige und mehrstufige Verarbeitungsprozesse nicht physisch zum Ursprung rückverfolgbar.
4. Fazit
Nachhaltigkeitssiegel schaffen einen Mehrwert für alle Beteiligten entlang der gesamten Produktionskette.
Aus dem Blickwinkel der Konsumenten werden diese Vorteile jedoch oftmals nicht klar kommuniziert. Die Vielzahl an Nachhaltigkeitssiegeln mit jeweils unterschiedlichen Standards führt zu einem Überfluss an Produktinformationen, wodurch der VerbraucherInnen bei der Kaufentscheidung beeinträchtigt werden. Zumeist wissen die Konsumenten nicht inwiefern ihr Kaufverhalten zum nachhaltigen Konsum und der Entwicklungshilfe beiträgt, sondern kaufen lediglich mit dem Hintergedanken, etwas Gutes für Entwicklungsländer und die Umwelt zu tun. Aus diesem Grund ist es entscheidend die Transparenz der individuellen Nachhaltigkeitssiegel zu verbessern, um folglich auch die vergleichsweise hohen Preise zu erklären und eine erhöhte Bereitschaft für den Kauf von nachhaltigen Produkten zu schaffen. Zudem bedeuten ‘Bio‘ und ‘Fairtrade‘ schlussendlich auch nicht gleich nachhaltig. Durch diese Vielfalt an Siegeln ist die Notwendigkeit gegeben, sich vor dem Kauf eines Produktes mit den vorgegebenen Standards des jeweiligen Siegels auseinanderzusetzen. Andernfalls ist die Beurteilung der “richtigen” Nachhaltigkeit für VerbraucherInnen nur schwierig selbst zu beantworten.
Betrachtet man den Einfluss von Nachhaltigkeitssiegeln aus dem Blickwinkel der Unternehmen, steht neben den sozialen Effekten primär der ökonomische Vorteil im Vordergrund. Die Zertifizierung durch Nachhaltigkeitssiegel führt zu einer Aufwertung des Markenimages und trägt zu der Verbesserung entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Bereich Nachhaltigkeit bei. Zudem werden hierbei auch neue potenzielle Kundensegmente angesprochen, wobei gleichzeitig die Kundenloyalität gesteigert wird. Heutzutage legen KundInnen viel mehr Wert auf den Ursprung der Produkte und die dahinterstehenden Werte, um sich mit der Marke identifizieren zu können. Hierdurch entsteht jedoch die Gefahr, dass Konsumenten durch sogenanntes Greenwashing geblendet werden, indem Unternehmen die Siegel lediglich nutzen, um ein gutes Image zu erhalten, obwohl diese abseits der zertifizierten Produkte nicht nachhaltig agieren.
Aufgrund dieser Entwicklung rückt die Verantwortung von Unternehmen sich für ein nachhaltiges Bewusstsein einzusetzen immer mehr in den Vordergrund. Durch die festgelegten Standards der Nachhaltigkeitssiegel sind Unternehmen angehalten, Ressourcen in der Produktion nachhaltig zu verwenden und gleichzeitig einen sozialen Mehrwert für Produzenten bzw. LandwirtInnen in Entwicklungsländern zu schaffen.
Der positive Einfluss von Nachhaltigkeitssiegeln für Konsumenten und Produzenten unterliegt jedoch verschiedenen Markt- und Umwelteinflüssen, in Form von schwankenden Rohstoffpreisen, unterschiedlichen Mindestlöhnen und dem internationalen Preiswettbewerb. Widersprüchliche Interessen von beteiligten Parteien sowie Restriktionen finanzieller und organisatorischer Art spielen immer wieder eine entgegenwirkende Rolle und verlangen letztendlich Kompromisse.
Quellenverzeichnis:
(BPB 2021a) https://www.bpb.de/apuz/188663/was-ist-nachhaltigkeit-dimensionen-und-chancen
(Reposit, 2021b) https://reposit.haw-hamburg.de/bitstream/20.500.12738/9265/1/KagniciSevtapBA_geschwaerzt.pdf
(Spiegel, 2021c) https://www.spiegel.de/gutscheine/magazin/nachhaltigkeitssiegel
(Einleitung, 2021d) https://partner.mvv.de/blog/klares-bekenntnis-zur-sozialen-nachhaltigkeit
(Klimamarkt, 2021e) https://www.klimamarkt2050.de/Auf_diese_Siegel_achten.html
(Haro, 2021f) https://haro.co.nz/the-blue-angel-the-worlds-first-environmental-seal/
(Statistisches Bundesamt, 2021)https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Unternehmensregister/_inhalt.html
(DIQP, 2021a)https://www.diqp.eu/ueberuns/
(Nachhaltigkeit.info, 2021)https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/brundtland_report_563.htm#:~:text=Von%20der%20Weltkommission%20f%C3%BCr%20Umwelt,to%20meet%20their%20own%20needs(Global Compact, 2021)https://www.globalcompact.de/de/ueber-uns/dgcn-ungc.php?navid=539859539859
(Primepulse Magazin, 2020) https://magazine.primepulse.de/corporate-responsibility-nachhaltig-erfolgreich/
(DIQP, 2021b)https://www.diqp.eu/nachhaltigkeitssiegel/
(Deutscher Bundestag, 2021)https://www.bundestag.de/resource/blob/421084/dea8a13dac10c6cb3283ab98bdb3b403/Nachhaltigkeitssiegel-data.pdf
(Rainforest Alliance, 2021a) https://www.rainforest-alliance.org/about
(Rainforest Alliance, 2021b) https://www.rainforest-alliance.org/business/resource-item/2020-sustainable-agriculture-standard-farm-requirements/ und Rahmenvertrag S.9
(Rainforest Alliance, 2021c) https://www.rainforest-alliance.org/business/resource-item/2020-sustainable-agriculture-standard-supply-chain-requirements/ und rahmenvertrag S.6
(Rainforest Alliance, 2021d) https://www.rainforest-alliance.org/business/resource-item/2020-rules-for-certification-bodies/
(Rainforest Alliance, 2021e) https://www.rainforest-alliance.org/business/resource-item/2020-certification-and-auditing-rules/
(Rainforest Alliance, 2021f) https://www.rainforest-alliance.org/business/de/formular-zur-buchfuhrung/die-vorteile-einer-rainforest-alliance-zertifizierung-fur-ihr-unternehmen/
(Fairtrade Labelling Organizations International, 2021a) https://www.fairtrade.net/about/what-is-fairtrade
(Fairtrade Labelling Organizations International, 2021b) https://www.fairtrade.net/about/fairtrade-marks
(Fairtrade Labelling Organizations International, 2021c) https://www.fairtrade.net/about/how-fairtrade-differs
(TransFair – FairTrade Deutschland, 2021d) https://www.fairtrade-deutschland.de/was-ist-fairtrade/herausforderungen
(TransFair – FairTrade Deutschland, 2021e) https://www.fairtrade-deutschland.de/was-ist-fairtrade/wirkung-von-fairtrade
(TransFair – FairTrade Deutschland, 2021f) https://www.fairtrade-deutschland.de/was-ist-fairtrade/fairtrade-standards/mindestpreis-und-praemie